Skip to main content

von Wolfgang Wiedenhöfer

Er war einer der prominentesten Waiblinger Bürger im frühen 18. Jahrhundert und ist wahrscheinlich der einzige, von dem ein Bildnis erhalten ist. Sein Name ist heute kaum noch bekannt: Johann Heinrich Dehl. Geboren 1655 in Berstetten bei Amberg. Im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv findet sich ein Dokument, das Auskunft über sein Leben gibt: Die Leichenpredigt, gehalten zum Tode Dehls im Jahr 1711 von Johannes Oechslin, Diakon in Waiblingen, liegt dort in gedruckter Form in vor .

Die schriftliche Niederlegung und anschließende Veröffentlichung von Lei-chenpredigten, sogenannte „Leich-Sermone“, sind bei Todesfällen von prominenten Bürgern für die für die damalige Zeit nichts Unübliches, wurde doch Tod und Trauer in der damaligen Zeit große Bedeutung zugemessen. Sterbefälle wurden als pompöse und repräsentative Ereignisse mit stundenlangen kirchlichen Trauerfeiern begangen. Die Vita des Verstorbenen, die Leichenpredigt und die salbungsvollen Nachrufe von Verwandten, Freunden und nahestehenden Hinterbliebenen wurden anschließend von spezialisierten Verlagshäusern veröffentlicht und der Nachwelt erhalten.

Leichenpredigt für Johann Heinrich Dehl (HStaS: Bestand J 67, Leichenpredigten 1614-1772, Bü 41. Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

Johann Heinrich Dehl, so lesen wir dort habe „…kein Bildersaal großer Ahnherren vorzuweisen…“, er stammte aus ärmlichen Verhältnissen, muss schon im Alter von 10 Jahren als Hausjunge arbeiten, kann mit erspartem Geld nach Wien zum Hof des Kaisers reisen und kommt dort mit 16 Jahren zum Militär. Dort macht Karriere und steigt in der kaiserlichen Armee bis zum Obristen auf.

Bildnis Johann Heinrich Dehl; Elias Chritoph Heiss, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Inventar-Nr. A 4398

1689 kommt er erstmals erstmalig nach Waiblingen, wir wissen nicht warum, er lässt sich hier nieder und quittiert den Dienst in der kaiserlichen Armee um in württembergische Dienste zu wechseln. 1690 heiratet Johann Heinrich Dehl die Waiblinger Bürgerstochter Margarete Weissert, mit der er mehr als 11 Jahre verheiratet ist und einen Sohn zeugt, der aber im Alter von 7 Jahren stirbt. In zweiter Ehe heiratet er die Witwe Claudia Felicitas geborene Barb, aus dieser Ehe sind 4 Kinder überliefert, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichen: Adam Friedrich und Eva Friederika. Johann Heinrich Dehl stirbt 1711 ‚…beim Samstagsgebet…‘ in Waiblingen.

Nicht nur die gedruckte Fassung der Totenrede ist Beleg des barocken Totenkults, auch der mächtige Grabstein des Obristen Dehl ist eindrucksvolles Zeugnis für das Verständnis von Leben und Tod in der damaligen Zeit. Der Epitaph, der bis ins 20. Jahrhundert an der Außenwand der Michaelskirche hing und mittlerweile aus konservatorischen Gründen an den Eingang des neuen Friedhofs versetzt wurde, ist ein Beispiel für die künstlerische Thematisierung von Tod und Trauer im frühen 18. Jahrhundert.

Unter einem prächtigen, von einem Engel gehaltenen Wappen und ge-rahmt verzierten Säulen und prächtigen Schmuckelementen berichtet die Sandsteintafel von den wichtigsten Lebensstationen, des ‚hochedel geborenen Johann Dehl, hochlöblich und hochbestellt gewester Obrist und Commandant des Erbprinzlichen Regiments zu Pferd‘, der ‚allhier zu Waiblingen sein Leben selig beschlossen‘.

Neben einem Bibelzitat trägt der Grabstein auch eine Widmung an den Betrachter: ‚ Steh, Lebender, las dich des Toten Leichstein lehren: Bist du nicht steinern selbst, sieh mein Exempel an, dass alle Eitelkeit, die Welt und Glück bescheren, mein Staub und Aschenhauf dir recht beweisen kann. … Erfahrung bringt gut Rat, den Rat will ich dir geben: Lieb kein Gut ohne Gott, Gott lieb als all dein Gut‘.

Epithaph des Obristen Dehl an der Michaelskirche, ca. 1930 (Archiv Heimatverein)

Abb. Header: Stadtansicht um 1700, Quelle: Archiv der Stadt Waiblingen