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An einer Biegung der Rems liegt auf einem felsigen Hügel der von einer Kirchhofmauer eingegrenzte Bereich der sogenannten „Großen“ oder „Äußeren Kirche“, die seit 1945 offiziell Michaelskirche genannt wird. Die Michaelskirche war im frühen Mittelalter die zentrale Kirche der Gesamtpfarrei, die weit über Waiblingen hinausreichte.

Die spätgotische dreischiffige Staffelhallenkirche hatte mindestens zwei Vorgängerbauten. Unter Einbeziehung älterer Mauern wurde sie von ca. 1440 bis 1490 von Hans von Landau (Turm und Chor) und Peter von Lan (Kirchenschiff) im spätgotischen Stil umgebaut. Spätere Anbauten sind die beiden südlichen und nördlichen Seitenkapellen (Sattlerkapelle und Marienkapelle)‚ die Sakristei und die 1866 abgebrochene Hapenkapelle.

Der Kirchenbau ist 52 m lang und 21 m breit; der Turm ist 51,50 m hoch. Das südliche Seitenschiff endet in der angebauten Sattlerkapelle, das nördliche Seitenschiff in der Marienkapelle mit dem Michaels­relief (ca. 1470) in einer Umrahmung von 1661. Am Kanzelkorb von 1484 sind vier Kirchenlehrer mit Evangelistensymbolen dargestellt.

Die ursprüngliche innere Ausschmückung der Kirche wurde nach der Reformation (1535) entfernt. Die heutige Raumgestal­tung erhielt die Kirche bei der Renovierung 1866/67, als die beiden bis dahin baulich getrennten Seitenkapellen mittels Durchbrüchen in den Kirchenraum integriert, die Kanzel versetzt und mit dem geschnitzten Schalldeckel versehen wurde. Weitere durchgreifende Erneuerungen und Sanierungen erfolgten 1938/39 mit der Verkürzung der Seitenemporen, 1978 mit dem Ausbau der Kirchenbänke sowie 2000 mit der nochmaligen Verkleinerung der Emporen. Der bewegliche Holzaltartisch unter dem Chorbogen wurde aus Holzmaßwerkselementen der abgebauten Emporen neu gestaltet. 

Hoch oben im Gewölbe zeugen die Schlusssteine vom Heiligenglauben und der engen Verbundenheit von Kirche und Gemeinde in vergangenen Tagen. Bildnisse von Aposteln und Martyrern als Vetreter des Himmels wechseln sich mit der weltlichen Darstellung von Familienwappen der 'Waiblinger Prominenz' im 14. Jahrhundert, Adelsgeschlechtern und wohlhabenden Bürgerfamilien die den damaligen Ausbau der Kirche gefördert und unterstützt haben, ab. 

Abb.: Die Innenausstattung der Michaelskirche Waiblingen, Schlussteine, Deckengewölbe und Altare/Kapellen (Illustration: Promies / Archiv Heimatverein Waiblingen)

Download (pdf): Legende zur Abbildung

Die drei Glasbildfenster im Chor wurden als Ersatz der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Verglasung von 1884/1903 von dem Bauhausschüler Prof. Martin Domke im Jahr 1957 entworfen und eingebaut. In der Mitte zeigt das prächtige 'Osterfenster' den auferstandenen Christus mit über sein Haupt gestreckten, durchbohrten Händen und von blutigen Streifen gezeichneter Stirn im von oben herabfließenden Osterlicht. Zwei Engel mit Hostie und und Kelch sowie zwei Grabwächter säumen die Heilandsfigur. Links das 'Weihnachtsfenster', zuoberst mit der Verkündigung der Heilandsgeburt durch Gabriel an Maria, darunter mit der Anbetung der Weisen und zuunterst mit der Flucht nach Ägypten. Das rechte Fenster, das 'Passionsfenster', zeigt im oberen Drittel den Gebetskampf des Heilands in Gethsemane, in der Mitte die Begenung von Jesus und Judas und im unteren Fensterteil die Kreuztragung. Ein seltenes Filmdokument aus dem Jahr 1957 zeigt den Künstler Martin Domke bei der Arbeit an den Waiblinger Kirchenfenstern. Die beiden kleineren seitlichen Chorfenster im neugotischen Stil wurden 1903 von der Waiblinger Fabrikantenfamilie Küderli gestiftet, die durch eine Seidenstoffweberei zu Wohlstand gekommen war.

14 Epitaphe, künstlerisch teils aufwändig gestaltete Grabplatten aus drei Jahrhunderten (1526 - 1815), zierten einst die Außenfassade der Michaelskirche. Die stark angegriffenen und vom Verfall bedrohten Steintafeln wurden Ende der 1990er Jahre abgebaut, konservatorisch gesichert und teils in der Turmeingangshalle, teils im Kircheninneren oder auch im Eingangsbereich des Waiblinger Friedhofs in der Alten Rommelshauser Straße untergebracht.

An einem Pfeiler an der Südwand der Außenfassade der Michaelskirche führt eine unscheinbare Grabinschrift aus dem 16. Jahrhundert auf die spannende Spur des Waiblinger Schulmeisters Jakob Frischlin.

Ab.: Außenfassade der Michaelskirche mit Epitaphen, um 1950; Archiv Heimatverein Waiblingen (Fotoarchiv Schwarzmaier)

 

Siehe auch:

Jakob Frischlin oder besser spät als nie ...

Leonhard Werner – Waiblingen und die Wirren der Reformation