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Die große Katastrophe kam in der Nacht zum 18. September 1634 über die Stadt: von marodierenden kaiserlichen Truppen, die sich auf dem Rückzug von der großen Schlacht bei Nördlingen befinden, wird Waiblingen in Brand geschossen, gestürmt und geplündert. Als die Brände nach 8 Tagen erlöschen, ist die Stadt bis auf die Grundmauern zerstört und liegt mehrere Jahre verödet da, der Wiederaufbau beginnt erst ab 1638.

Eine eindringliche Schilderung der Ereignisse im Herbst 1634 findet sich bei Wolfgang Zacher (1606-1687), der von 1634 bis 1643 von Herzog Eberhard II. als Vogt in seine Heimatstadt Waiblingen berufen wurde, den Wiederaufbau der Stadt einleitete und ab 1662 eine Waiblinger Stadtchronik verfasste, die 1666 abgeschlossene "Chronicon Weiblingense", kurz Zacherchronik*. Zacher entstammte einer alteingesessenen und prominenten Waiblinger Familie, hatte zwar nicht selbst den großen Stadtbrand, als Offizier im Schwedischen Heer aber sehr wohl die Gräuel des Krieges erlebt und selbst in der Schlacht bei Nördlingen gekämpft.

Der große Stadtbrand von 1634

"Ruina Patriae - Die erbärmliche jämmerliche Verwüstung dieser unserer Vaterstadt.

Wie diese uralte ... Stadt, in deren Ringmauern und Vorstädten 400 Bürger** wohnten, während der geistlichen und weltlichen Regierung früher ausgesehen haben mag, kann sich jeder Verständige, wenn er auch fremd und dieselbe mit eigenen Augen nie gesehen hat, leicht vorstellen. Gleich wie alle Herrlichkeit dieser Welt nach dem alten Sprichwort 'Sic transit gloria mundi' (So vergeht der Glanz der Welt) ein Ende nimmt, so kam auch über diese gute Stadt das Unheil ... .

Die deutsche und spanische Kriegsmacht des damaligen Kaisers Ferdinand II. besiegte bei Nördlingen auf den ... 16. September 1634 die königlichen schwedischen Gruppen mit ihren evangelischen Völkern, schlug 6.000 Mann nieder und fiel dann in Württemberg ein.  

Weil schon in wenigen Tagen alle Orte mit Feuer und Schwert erfüllt und das ganze Land mit der Regierung in Furcht und Schrecken versetzt worden waren, und niemand wusste, wie die wütenden Spanier, Wallonen und die anderen mit den armen Lutheranern umgehen würden, floh ... Herzog Eberhard III. mit dem Landhofmeister, dem Kanzler und den Räten aus dem Land nach Straßburg. Wer in den brennenden Orten die Mittel hatte, folgte ihnen. Etliche aber, die nicht die nötigen Gelder besaßen, flohen in die benachbarten Festungen, zum Teil bis Worms und Speyer.

Abb. Titelblatt der Zacherchronik von 1666 (Foto Archiv Heimatverein / Archiv der Stadt Waiblingen)

Hierdurch wurde auch Waiblingen von den besten Leuten entblößt. Den Hinterlassenen mangelte es an gutem Rat und erfahrenen Offizieren, die damit vertraut waren, von der kaiserlichen Generalität einen Schutzbrief für die Stadt auszubitten. Dagegen fehlte es nicht an Schuldenmachern, die solche Kriegswirren begrüßten und hofften, dass ihre Schulden vielleicht in Vergessenheit geraten würden. Einigen glückte dies auch, andere wieder mussten dieses Verhalten wie die Frommen und Unschuldigen mit ihrem Leben bezahlen. Nachdem sich diese Zurückgebliebenen täglich in den Kellern der geflüchteten Herren und besonders im Stadtkeller voll und toll gesoffen hatten, erschien unterdessen eine Abordnung des kaiserlichen Heeres vor dem Stadttor*** und forderte zur Übergabe der Stadt auf. Man antwortete ihnen aber nur mit schnöden Worten und Feuerdampf, so dass einige der Parlamentäre tot oder verwundet von den Pferden fielen. Die anderen ritten schnell zurück und kamen bald mit Verstärkung wieder.

Sobald aber das Nonnenhaus**** samt dem Fellbacher Tor angezündet worden waren, ergriffen die ... Verteidiger die Flucht. Sie ritten in der Unterstadt zum Tränktor hinaus, setzten über die Rems und flohen über den Rosberg, Neustadt und Marbach dem Asperg zu. Die Weiber und Kinder sowie diejenigen, die nicht schwimmen konnten, ertranken in der Rems oder mussten in der Stadt bleiben. Viele wurden unbarmherzig niedergehauen, die jungen Weiber und Mägdlein wurden geschändet und mit der übrig gebliebenen Mannschaft, von der sie ... hohe Lösegelder forderten, in Ketten und Banden fortgeschleppt. Zur Mitternachtszeit steckten die Eroberer die verödete Stadt samt der schönen, draußen jenseits der Brücke gelegenen Pfarrkirche in Brand und legten so die ganze Stadt mit zwei Vorstädten gänzlich in Asche. Dabei erstickten und verbrannten viele Bewohner, die sich in Scheuern, Taubenhäusern und Kellern verborgen hatten. ...

In der Stadt Waiblingen war ein grausamer Anblick ... die Bewohner wurden ... ermordet, grausam gequält, in harte Gefängnisse weggeführt und viele von ihnen in den Niederlanden erst hingerichtet. Noch sechs Wochen nach der Feuersbrunst brauchte man weder Feuer noch Licht. Mit den glühenden Kohlen konnte man Eisen schmieden, Pferde beschlagen und kochen. ... "

Über die Zustände in der Stadt und das harte Leben der Überlebenden in den ersten Jahren nach dem Stadtbrand berichtet Zacher weiter:

"Kaum der zehnte Teil der Bevölkerung blieb übrig ... und (da) die arme, verlassene Bevölkerung gegenüber der umherziehenden Soldateska nicht geschützt wurde, handelte, forderte und nahm ein jeder das, was ihm gefiel. Die arme Stadt glich einer Mördergrube, durch die bei Nacht kein fremder Mann durchzureisen wagte. Uhu und Eulen bauten ihre Nester, Füchse und Hasen hegten ihre Jungen, die zum Teil gefangen und verzehrt wurden.

Die Stadttore und Gefängnisse standen offen. Weder eine Uhr noch Glocken, keine Pferde, Kühe oder Ochsen, nicht einmal ein Hund waren vorhanden. Eine einzige Katze in der Bürgermühle war der ganze Viehstand. Keine Obrigkeit nahm sich von 1634 bis gegen Ende des Jahres 1638 der armen, verstörten Bevölkerung an."

* Glässner, Wilhelm: Wolfgang Zacher und seine Waiblinger Chronik von 1666, Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Waiblingen Heft 3 (1983)

** die Bezeichnung 'Bürger' bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Steuern zahlende Haushaltsvorstände von Familien mit Frauen, Kindern und Gesinde (ca. 10 Personen) also ca. 4.000 - 4.500 Einwohner; siehe: Vorbemerkung zu Kapitel VI. von W. Glässner in 'Wolfgang Zacher und seine Waiblinger Chronik', Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Waiblingen Bd. 3 (1983)

*** gemeint ist hier das ehemalige 'Fellbacher Tor' am heutigen Ausgang der Kurzen Straße auf den Postplatz

**** Zacher bezieht sich hier auf das ehemalige Beginen- oder Nonnenhaus beim heutigen Nonnenkirchle, das nach seiner Zerstörung nicht wieder aufgebaut wurde (der genaue Standort ist bis heute ungeklärt, wohl im Bereich des Elsbeth-und-Hermann-Zeller-Platzes) 

Text, in Teilen gekürzt und der heutigen Schreibweise angepasst, entnommen aus: Glässner, Wilhelm: Wolfgang Zacher und seine Waiblinger Chronik von 1666, Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Waiblingen Heft 3 (1983)

Abbildung oben: Das Amt Waiblingen in einem um 1600 vermutlich von Heinrich Schickhardt angelegten Atlas der Ämter des Herzogtums Württemberg (Ausschnitt); HStAS N 1 Nr. 70 Bl. 8