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Text: Galerie Stihl Waiblingen

Olafur Eliassons Pavillon für Waiblingen, eine Schenkung der Eva Mayr-Stihl Stiftung an die Stadt Waiblingen aus dem Jahr 2009, ist in den letzten fünf Jahren zu einem regelrechten Wahrzeichen der Stadt geworden. Die großformatige Plastik besteht aus unzähligen, aus einem zentralen Punkt auf dem Platz zwischen Galerie und Rems emporstrebenden Metallbögen, die sich in mehreren Wölbungen nach unten und außen biegen. Mit enormer Kraft scheinen die Strahlen aus dem Asphaltbogen zu schießen. Besondere Eleganz erhält die Skulptur durch ihre verspiegelte Außenseite, die über die Reflexionen die Umwelt und auch den Betrachter mit einbezieht. Das Team um den dänischen Künstler mit isländischen Wurzeln war über ein Jahr mit der Konzeption und Ausführung der Plastik befasst.

Von weitem erinnert die fast sechs Meter hohe Skulptur an eine sprudelnde Fontäne, die zu Eis erstarrt zu sein scheint, an einen überdimensionalen Brunnen oder einen Geysir. Auch andere Assoziationen werden geweckt, bspw. an die hängenden Äste einer Trauerweide, die sich in unmittelbarer Nähe am Rems-Ufer befindet, oder an die langen Beine einer mechanischen, monströsen Spinne. Optische Phänomene wie Spiegelungen und Reflexionen sind zentrale Aspekte der Installationen und Objekte des Künstlers. In seinem Berliner Studio, einer Art Experimentierwerkstatt, untersucht der Künstler mit rund 40 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Fachbereichen verschiedenste räumliche, optische und zeitliche Phänomene, um diese durch seine Kunst für die Betrachter erfahrbar zu machen. 
Eliassons Waiblinger Skulptur fungiert durch die Bezüge zu den nahe stehenden Bäumen, die Spiegelungen der Umgebung und die Assoziationen Naturereignisse einerseits sowie durch den technischen Charakter der Metallstäbe andererseits als Mittler zwischen Natur und der modernen, kühlen Architektur des 21. Jahrhunderts, den Galerie- und Kunstschulgebäuden auf diesem Platz. Der Künstler hat sich zu Beginn des Projekts intensiv mit dem zu bespielenden Raum auseinandergesetzt und die Form der Plastik aus der Umgebung, sowohl der Natur als auch der Architektur, abgeleitet. Eliassons Pavillon für Waiblingen trifft so das große Thema des Künstlers: „die Zwiesprache zwischen Natur und Kunst“ – die Suche nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten in der Natur und ihre verborgenen Beziehungen zur artifiziellen, von Menschenhand geschaffenen Umwelt. 

Wie viele der Installationen Eliassons ist der Pavillon für Waiblingen begehbar und somit für den Betrachter ganz unmittelbar, auch körperlich erfahrbar. Er stellt kein hermetisch abgeschlossenes Kunstwerk dar, das wie ein Leinwandgemälde oder Videokunst einen einzigen, streng definierten Betrachterstandpunkt vorgibt und den Betrachter allein über die visuelle Wahrnehmung anspricht. Vielmehr lädt der Pavillon zum gemeinsamen Betrachten ein, zur räumlichen Erkundung und zur Kommunikation.

Für Olafur Eliasson besitzt die Plastik ihren Reiz gerade in dem Angebot zum Platznehmen im öffentlichen Raum, zum Verweilen, zur Begegnung und zum Gespräch. Solche öffentlichen Räume gäbe es zunehmend seltener, der Künstler spricht von einer „Verrohung des öffentliche Raumes“. Es ist also so etwas wie ein demokratischer Akt, wenn die Plastik zur Begegnung einlädt und einen besonderen öffentlichen Raum darstellt. Alle Waiblinger sollen Besitz nehmen von ihrem Pavillon, denn so Eliasson in einem Interview: „Kunst muss wieder etwas für alle werden. Sie muss mit unserem Leben zu tun haben.“ Daher erhielt das Objekt den Titel Pavillon für Waiblingen. Die Betitelung wiederum ist typisch für Eliasson: Er wählt knappe, relativ vage Titel, die genügend Spielraum zur Interpretation lassen, aber dennoch wie eine kurze Gebrauchsanweisung dienen. Der Begriff Pavillon betont die raumbildende, Begegnung und Identität stiftende Funktion der Plastik.    


Biographie

Olafur Eliasson, geboren 1967 in Kopenhagen, ist ein international renommierter dänischer Künstler. Seine Kindheit verbrachte er in Island. Er studierte von 1989 bis 1995 an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Er lebt abwechselnd in Berlin und Kopenhagen.  - Eliasson zählt derzeit zu den gefragtesten Künstlern weltweit, er hat in Metropolen wie New York, Tokio, London und oder Paris ausgestellt. Eine seiner Ausstellungen in der Tate Modern Gallery in London, bei der er tagtäglich eine große leuchtende Sonne aufgehen ließ, wurde von über zwei Millionen Besuchern gesehen. In den USA wurde er insbesondere durch seine Aktionskunst bekannt, 2008 hat er bspw. vier monumentale künstliche Wasserfälle in Manhattan installiert. Aufgrund seiner Popularität nimmt er nur noch ausgewählte Aufträge an, die er mit einem Team aus ca. 30 Mitarbeitern, überwiegend Architekten, umsetzt.  - Zentrales Thema seines künstlerischen Schaffens ist die Auseinandersetzung mit physikalischen Naturphänomenen wie etwa Licht und Wasser, Reflexionen oder Bewegungen sowie die Funktion und Beschaffenheit von Oberflächen. Ihn interessiert die Zwiesprache zwischen Natur und Kunst, er sucht die physikalischen Gesetzmäßigkeiten in der Natur und ihre verborgene Verwandtschaft zur menschlich geordneten, artifiziellen Umwelt. Sein Schaffen wurde mehrfach mit international renommierten Preisen ausgezeichnet.  - Eliasson ist seit 2006 Professor an der Akademie der Künste in Berlin. Er legt einen Akzent auf eine fachübergreifende künstlerische Ausbildung, indem er sich mit den Human- und Naturwissenschaften vernetzt. 


Literatur/Quellen 

Olafur Eliasson. Hrsg. von Madeleine Grynsztejn [et al.]. London 2002. 
Olafur Eliasson. Innen Stadt Außen. Hrsg. von Daniel Birnbaum. Köln 2010.
Studio Olafur Eliasson. An Encyclopedia.  Hrsg. von Anna Engberg-Pedersen. Köln 2008.

 

Weiterführende Links:

Homepage des Künstlers

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