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Kriegsfragen (1914-18)

Von Wolfgang Wiedenhöfer
 

„Unter Sturm und Ungewitter hat das alte Jahr einen recht unerfreulichen Abschied genommen und das neue mit Eis und Schnee einen frostigen Einzug gehalten. Man wird das dem Wettergott, so bedauerlich die Schä-den und Verluste von Menschenleben sind, nicht allzu übel nehmen dür-fen, er hat eben jetzt sein kalendermäßig verbrieftes Recht seine Winde blasen zu lassen aus Ost und Nord und die Erde in ein weißes Leichentuch zu hüllen. Es ist jedenfalls besser, wir frieren im Januar, als im Mai, wo im vergangenen Jahr der Frost solche katastrophalen Verheerungen in Weinbergen und Obstgärten angerichtet hat. Auch ist es wohl nicht angebracht, in den Schneestürmen der Silvesternacht ungünstige Vordeutungen für das kommende Jahr zu erblicken. Die politische Wetterprognose lautet heuer wesentlich günstiger als die, die man dem „Jubeljahr 1913“ stellen konnte…“

Politische Wochenschau, Remstalbote vom 3. Januar 1914
 

„In unserer inneren Politik macht sich allmählich die sommerliche Ruhe-pause geltend. Der Reichstag ist geschlossen und die meisten bundes-staatlichen Parlamente haben ebenfalls bis auf weiteres ihre Tagungen eingestellt. Nur in Bayern tagte in der letzten Woche die Volksvertretung und beschäftigte sich mit der vielumstrittenen Frage der Arbeitslosenver-sicherung. … In der auswärtigen Politik ist leider von der sommerliche Ru-he, die sich in der Reichs- und Landespolitik allmählich bemerkbar macht, noch nichts zu bemerken.“

Politische Wochenschau, Remstalbote vom 6. Juni 1914
 

„Durch den Telegraph wurde man gestern Sonntag durch ein schreckliches Attentat in Kenntnis gesetzt, dem das österreichische Thronfolgerpaar zum Opfer fiel. Das erste Telegramm, das gestern Nachmittag 4 ½ Uhr bei uns eintraf, veröffentlichen wir durch Anschlag und hat folgenden Wortlaut: „Sarajewo, Bosnien, 28. Juli 1914. Ein Gymnasiast gab auf den Erzherzog Franz Ferdinand, den österreichischen Thronfolger und seine Gemahlin zwei Revolverschüsse ab. Beide wurden schwer verletzt und starben alsbald.“

Remstalbote vom 29. Juni 1914
 

„Kiel, 28. Juni: die erste Nachricht von dem Attentat traf von dem deut-schen Konsul in Sarajewo auf der ‚Hohenzollern‘ ein. Der Chef des Marinekabinetts, Admiral von Müller, begab sich sofort auf dem Verkehrsboot ‚Fulda‘ in See und rief dem Kaiser, der sich auf dem ‚Meteor‘ befand, die Nachricht auf die Wacht hinüber. Der Kaiser brach die Regatta sofort ab, trotzdem der ‚Meteor‘ einen Vorsprung von über 15 Minuten hatte…“

Remstalbote vom 29. Juni 1914
 

„Das Turn- und Kinderfest des Turnvereins. Vom prächtigsten Wetter be-günstigt, nahm gestern Nachmittag das Kinderfest des Turnvereins einen wirklich schönen Verlauf. Punkt 1 Uhr marschierte der imposante Festzug vom Marktplatz zum Festplatz des Vereins. Die Spitze des Zuges bildete die Stadtkapelle, der eine große Zahl festlich gekleideter Mädchen, die Zöglinge, die aktiven Turner, je mit Fahne, und auch eine stattliche Anzahl passiver Mitglieder folgten. … Als der Festzug auf dem Turn- und Sportplatz angekommen war begannen die Spiele und die turnerischen Vorführungen der aktiven Mitglieder. Die zum Teil prächtigen Leistungen wurden vom Publikum mit lautem Beifall belohnt. … Zum Schlusse wurde die fröhliche Stimmung durch die Nachricht beeinträchtigt, die der Rems-tal-Bote aus Sarajewo erhalten hatte und die sich rasch durch die ganze Stadt verbreitete, nämlich von der ruchlosen Tat, der der österreichische Erzherzog-Thronfolger … und seine Gemahlin zum Opfer fielen.“

Aus Stadt und Umgebung, Remstalbote vom 29. Juni 1914
 

„…Auf die Nachricht von der Ablehnung des Ultimatums an Serbien macht sich überall große Kriegsfurcht bemerkbar. Alles kauft Mehl und andere Lebensmittel. In Stuttgart ist eine große Protestversammlung gegen den Krieg. Klara Zetkin spricht… Am Donnerstag soll eine solche hier stattfin-den. Der Aufruf lautet: ‚Arbeiter, Bürger, Frauen heraus zum Protest! Die Gefahr des Weltkriegs ist nahe. Darum protestiert durch einen Massenbe-such der Versammlung. Kein Arbeiter, keine Arbeiterfrau darf fehlen.‘ – Die Protestkundgebung wurde aber durch die Ereignisse überrollt. …“

29. Juli 1914, aus dem Tagebuch eines Waiblinger Soldaten
 

„Heute erkennen mit Entsetzen auch diejenigen Volksschichten, die sich durch die chauvinistische Hetze des Militarismus hatten einfangen lassen, dass das unaufhörliche Rüsten nicht eine Bürgschaft des Friedens, sondern eine Saat des Krieges mit all seinen Schrecken war.“

Schwäbische Tagwacht‘ vom 30. Juli 1914
 

Gedenkblatt.

In Ermangelung einer Ortschronik wird hier an dieser Stelle der schweren Zeit gedacht die am 31. Juli 1914 über das Deutsche Reich hereinbrach.

An diesem Tag traf nämlich nachmittags 4 Uhr die telegraphische Nach-richt ein, daß auf kaiserliche Verordnung im Deutschen Reiche der Kriegs-zustand erklärt worden ist.

Nach bangen Stunden folgte dann anderntags (Samstag den 1. August 1914) nachmittags 6.15 Uhr ein weiteres Telegramm wonach, der Kaiser die Mobilmachung befohlen und als 1ten Mobilmachungstag den Sonntag den 2. August 1914 bestimmt habe.

Unter der Leitung des Unterzeichnenden als Stellvertreters des in Urlaub abwesenden Herrn Stadtschultheißen Röcker wurde die Kriegszustandser-klärung und der Mobilmachungsbefehl der in ernster Stimmung harrenden Einwohnerschaft unter Glockengeläute, Trompetenstoß und Trommel-schlag jeweils sofort bekannt gemacht und die sonst nötigen Anordnun-gen, wie Aufstellung der Bahn- und Brückenwachen etc. getroffen.

Waiblingen den 1. August 1914

Steuerratsschreiber Knöringer

Gedenkblatt zum Kriegsausbruch im Gemeinderatsprotokoll vom 1.8.1914 (Archiv der Stadt Waiblingen)

„Die Stimmung durch ganz Deutschland ist ganz einheitlich gehoben und zuversichtlich, man jubelt den Kriegern zu. Es ist etwas wunderbares und sonderbares um die Massensuggestion, die einen Instinkt für die Notwen-digkeit der Solidarität und einen stimmungssteigernden Wert hat.“

Conrad Haußmann, Mitglied des Württ. Landtags und des Dt. Reichstags, am 6. August 1914
 

„Eine seltene aber um so interessantere Naturerscheinung war gestern nachmittag zwischen 5 – ½ 6 Uhr in der Richtung Hegnach-Neustadt zu beobachten. Aus einer langgestreckten, wagrecht gelagerten u. am unte-ren Rande scharf begrenzten tiefschwarzen Wolkenschicht stülpte sich ein Zapfen hervor, der in schlangenartigen Bewegungen sich rasch vergrö-ßernd dem Erdboden näherte. Nach kurzer Zeit war die Verbindung zwi-schen Wolke und Erde hergestellt, so daß es schien, als ob eine riesige Säule Himmel und Erde verbinde. Während dieselbe zuerst eine fast senkrechte Stellung einnahm, verschob sich die Lage im weiteren Verlauf der Erscheinung immer mehr, bis sie zuletzt schräg zu stehen schien. … Aengstliche Gemüter sind geneigt, in der Naturerscheinung einen unheil-kündenden Vorboten zu erblicken“

Remstalbote vom 19. August 1914
 

„2. Januar 1915: Im alten und neuen Jahr haben wir den ganzen Tag Kartoffeln gegessen, weil wir nichts hatten… Wir sind bald da, bald dort, denn die Schwaben braucht man immer da, wo es gefährlich ist.“

Feldpostbrief eines Waiblinger Soldaten
 

„Ich halte den jetzigen Krieg für den größten Wahnsinn der Geschichte“

Eugen Bolz, Mitglied des Württ. Landtags und des Dt. Reichstags, im April 1914
 

„Hoffen wir nur zu Gott, dass dieses schreckliche Morden bald ein Ende haben möge“

Feldpostbrief eines Waiblinger Soldaten vom 29.7.1915

"Erschreckende Ruhe vor dem Schrecken" Die Tage und Wochen vor dem ersten Weltkrieg aus dem Blickwinkel des Remstal-Boten; WKZ vom 2.8.2014, Autor: Daniel Winterling

"Als die Katastrophe begann" Waiblingen 1914; WKZ vom 15.8.2014, Autor: Andreas Kölbl

Abb. Header: Felger, Friedrich, 'Sommertag bei den Kiesgärten' (1910); Bestand Archiv der Stadt Waiblingen