Station 15


Marktplatz

Der Marktplatz ist „die Gute Stube“ Waiblingens, hier wird regelmäßig Wochenmarkt abgehalten, Straßencafés laden zum Verweilen ein, und bei Stadtfesten finden hier Veranstaltungen statt. Vor allem aber ist der Platz der historische Mittelpunkt der Altstadt. Hier richtet sich der Blick zuerst auf das Alte Rathaus, einen beeindruckenden Fachwerkbau mit offenen Arkaden. Hinter dem Marktbrunnen mit der Justitia-Figur erhebt sich der ehemalige Fruchtkasten der Geistlichen Verwaltung, dessen besonderes Merkmal eine plastisch wirkende Scheinfassade ist, die ein Steinhaus aus behauenen Quadersteinen vortäuschen sollte. Am anderen Ende des Marktplatzes steht das größte und imposanteste Fachwerkgebäude Waiblingens, das ehemalige Amtsgericht, das mit einem bemerkenswerten Fachwerk und einer großen Anzahl von Neidköpfen in verschiedener Gestalt beeindruckt. Die Skulptur davor, „Die Taubenhäusler“, erinnert an die frühere Tradition der Taubenhaltung in der Amtsstadt Waiblingen.


Der Marktplatz liegt zentral in der Altstadt zwischen den beiden Hauptstraßen, der Lange Straße im Westen und der Kurze Straße im Osten. Trotz der 1934 gebauten alten Umgehungsstraße B 14 hatte Waiblingen bis zur Schaffung einer Fußgängerzone seit 1983 als Kreisstadt eine hohe Verkehrsbelastung, und der Marktplatz diente hauptsächlich als Parkfläche. Ab Mitte der 1970er Jahre wurde die Altstadt saniert und anschließend verkehrsberuhigt. Im Zuge dessen wurden an vielen Waiblinger Bürger- und Geschäftshäusern die Fachwerke freigelegt.

Altes Rathaus (Marktplatz 4)

Das Rathaus war bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das „Haus des Rates“ mit kleiner und großer Ratsstube, die städtische Verwaltung befand sich dagegen in der Stadtschreiberei. Im großen Ratssaal wurden auch Feste und Hochzeiten gefeiert. 1476 wurde erstmals ein Rathaus erwähnt, 1597 wurde an dieser Stelle ein Neubau errichtet (Wappenstein), der 1634 beim großen Stadtbrand abbrannte. Das steinerne Sockelgeschoss mit den massiven Arkaden überlebte die Zerstörung, somit war der Grundriss für das heutige Alte Rathaus bereits vorgegeben. Erst 1725 – 1730 wurde das Gebäude in seiner heutigen Gestalt samt dem Glockentürmchen mit der Steuerglocke auf dem Dachfirst wiederaufgebaut und dann bis 1875 als Rathaus verwendet. Danach waren hier die Knabenschule (1877 – 1902) und die Gewerbeschule (1909 – 1956) untergebracht. Das Fachwerk ist 1929 freigelegt worden. Bei der gründlichen Renovierung von 1975 – 1980 sind die späteren Einbauten im Erdgeschoß entfernt, die ehemalige Schranne (offene Markthalle mit Arkaden) freigelegt, sowie der alte Aufgang wiederhergestellt worden. Seitdem dient das Gebäude als Gaststätte. Am Pendel der Rathausuhr von 1767 kann man die Mondgöttin Luna mit der querliegenden Mondsichel auf dem Haupt erkennen. Sie symbolisiert das Voranschreiten der Zeit.

Marktbrunnen

Zu einem Markt gehört seit alters her ein Marktbrunnen. Dieser, auch Justitiabrunnen genannt, gilt als ältester Brunnen der Stadt. Er ist mit einer Figur der Göttin der Gerechtigkeit (Justitia) aus dem Jahr 1688 geschmückt. Die Brunnenfigur wurde 1964 durch eine Kopie ersetzt. Sie trug von Anbeginn an keine Augenbinde und mahnte mit Schwert und Waage, Recht und Unrecht abzuwägen. Der Brunnen wurde 1640 erstmals schriftlich erwähnt, allerdings ist nicht belegt, ob schon vor dem Stadtbrand eine Brunnenfigur vorhanden war. Auch dieser Brunnen wurde durch hölzerne Teuchelrohre, später tönerne Röhren, aus der Wasserstuben-Quelle gespeist.

Fruchtkasten der Geistlichen Verwaltung (Marktplatz 8)

In diesem Gebäude hinter dem Marktbrunnen (auch als Großer Kasten bezeichnet) wurden die Naturalabgaben für das Kirchengut gesammelt. Der Kleine Kasten im Haus daneben hingegen diente der Lagerung von Naturalabgaben der weltlichen Verwaltung. Der Große Kasten stand direkt an der Schlossmauer, wovon ein Mauerrest auf der Rückseite zeugt. Nach dem Stadtbrand wurde die Ruine 1654 wieder überbaut. 1701 wurde die Geistliche Verwaltung mit dem Adelberger Pfleghof zusammengelegt und das Haus 1715 verkauft. 1767 erfolgte der Umbau zu einem zweistöckigen Wohnhaus. Aus dieser Zeit stammt wohl die Quaderbemalung, die ein Steinhaus mit behauenen Quadersteinen vortäuschen sollte, da es sich damals nur „steinreiche“ Leute leisten konnten, Häuser aus dauerhaftem Stein zu bauen. Das barocke Portal der Seitenfront zierte ursprünglich die Giebelseite am Marktbrunnen, sein Schlussstein (u.a. Kreuz) erinnert an die ehemalige Nutzung als Kirchengut. An der Hauskante befindet sich ein Kragstein mit Löwenkopf. Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebäude im Besitz der Konditorfamilie Kaiser. Hier entstanden 1889 „Kaiser's Brustkaramellen“. Die Bonbonfirma befindet sich seit 1895 in der Bahnhofstraße, heute Fr. Kaiser GmbH | 3 Tannen-Werk .

Zacherhaus (Marktplatz 9)

Wolfgang Zacher (1606 – 1689), Vogt und Chronist, begann mit diesem Gebäude 1640 den Wiederaufbau der völlig zerstörten Stadt. Das Anwesen blieb bis 1692 im Besitz der Familie Zacher. Seit 1760 befand sich hier die Untere Apotheke, die 1647 als erste Apotheke im Haus Marktplatz 6 gegründet worden war. Bei einem Großbrand 1771 wurde das Gebäude stark beschädigt, woraufhin von hier aus die Neue Gasse als Verbindung zur Lange Straße angelegt wurde. In die Hauswand ist eine Steintafel eingelassen, die auf die Hausgeschichte und auf die Waiblinger Tradition verweist.

Salzhofstatt (Marktplatz 7)

Vor 1634 stand hier das städtische Salzhaus, denn Waiblingen hatte bis 1807 das Salzmonopol für Stadt und Amt. Salz war sehr wertvoll und wichtig zur Haltbarmachung von Fleisch (Pökeln), fand Verwendung in der Medizin, beim Gerben sowie in der Töpferei für Glasuren. Es wurde 1734 als letztes Haus am Marktplatz nach dem Stadtbrand wiederaufgebaut.

Vogthaus (Marktplatz 5)

Das 1655 wiederaufgebaute Gebäude ist die älteste bekannte Vogtei für Stadt und Amt Waiblingen. Der Vogt (ab 1759 Oberamtmann) war der erste herrschaftliche Beamte für den Amtsbezirk.

Schillerhaus (Marktplatz 3)

Das 1634 zerstörte Gebäude wurde 1645 wiederaufgebaut. 1668 – 1695 gehörte es dem Bäcker und Gerichtsverwandten Hans Caspar Schiller (1623 – 1695), dem Ur-Urgroßvater des in Marbach geborenen Dichters Friedrich Schiller (1759 – 1805). Die Kinder des Hans Caspar Schiller sind aber alle im 1834 abgebrochenen Torwarthaus beim Beinsteiner Torturm geboren worden.

Ehemaliges Amtsgericht (Marktplatz 1)

Das Gebäude mit dem frühbarocken Erker wurde um 1690 gebaut. Der zweigeschossige Erker mit den vielen Fratzen ist der einzige dieser Art in der Stadt. An den beiden anderen Hausecken befindet sich jeweils ein weiterer Neidkopf. In dem Gebäude war von 1794 bis 1819 die letzte Amtsschreiberei und von 1819 bis 1909 das erste Oberamtsgericht untergebracht. Deshalb wurde 1864 in der Nähe im Oberen Sack 7 das Oberamtsgerichtsgefängnis gebaut (bis 1968, abgebrochen 1971). 1909 wurde das Oberamtsgericht in den Neubau Bahnhofstraße 48 verlegt (heutiges Amtsgericht). Hier am Marktplatz amtierte und wohnte von 1824 bis 1842 als Oberamtsrichter Karl Mayer (1786 – 1870), ein Dichter der „Schwäbischen Dichterschule“, Freund von Ludwig Uhland, Justinus Kerner, Nicolaus Lenau und Eduard Mörike. Im heutigen Geschäftshaus ließ 1910 Kaufmann G. Villinger (1857 – 1931) den ersten elektrischen Personenaufzug in Waiblingen einbauen.

Figurengruppe „Die Taubenhäusler“

Nach einem Necknamen für die Waiblinger, die früher gerne wegen ihrer Taubenhaltung als „Taubenhäusler“ verspottet wurden, schuf Karl-Henning Seemann (geb. 1934) die zweifigurige lebensgroße Bronzeplastik. Tauben wurden schon im Mittelalter in Taubenschlägen oder Taubenhäusern gehalten und dienten den einfachen Leuten als Sonntags- und Festtagsbraten, denn Taubenfleisch galt als zart und schmackhaft. 1740 wurde per Anordnung die Taubenhaltung eingeschränkt, da wegen zu vieler Tauben durch Körnerfraß auf den Äckern viel Schaden entstand. Fortan war die Anzahl der erlaubten Tauben an die Größe des Grundbesitzes gebunden, was zur Folge hatte, dass arme Leute keine Tauben mehr halten durften. Die Plastik zeigt einen hohlwangigen Armen und einen wohlgenährten, reichen Bauern, der drei Tauben in der Hand hält und sie dem Armen verweigert.